7. Der Lung, der Störungen bei den Körpersäften bewirkt

Dieser Lung führt zu Krankheiten und Leiden. Der tibetischen Medizin zufolge steht jede Krankheit mit den 3 Wurzelgiften Zorn, Anhaftung oder Unwissenheit in Verbindung. Empfohlen wird, über die Übung der 9 Atemzüge eine Offenheit für den betroffenen Bereich des Körpers herzustellen und ihn zu identifizieren.

Die 3 Wurzelgifte sind das Charakteristikum dieses krankheitsverursachenden Lung.

Über das offene Gewahrsein der Schmerzen und Krankheit kann man sich von der Identität, als jemand, der krank ist, befreien.

Hahn, Schlange und Schwein als Symbole der 3 Geistesgifte

8. Der Lung der Kraft der Existenz

Auf individueller Ebene kann sich der Lung der Kraft der Existenz auf eine übermäßig starke Identifikation mit dem eigenen Beruf oder Status im Leben beziehen, sodass man über nicht viel Flexibilität, um sich zu ändern, verfügt. Wenn man sich selbst als Opfer der Umstände betrachtet, ist es schwer, Möglichkeiten zur Veränderung auch nur zu erkennen.

Auf kollektiver Ebene kann dieser Lung sich auf Gesellschaften beziehen, die sich um ein Glaubenssystemscharen und Parolen und Überzeugungen propagieren. Überzeugungen, die die Illusion bestärken, dass man sich in Einklang mit der Wirklichkeit befindet.

9. Der Zeitalter zerstörende Lung

Der Zeitalter zerstörende Lung ist zerstörerischer Natur.

Er kann sich auf kollektive Kräfte, beispielsweise Ängste, beziehen, die dann dazu führen, in den Krieg zu ziehen, und auf Vernichtung und Verwüstung von Leben und Landschaft, die sich daraus ergeben.

Er kann sich auf die Kräfte des Materialismus und deren Auswirkung auf die globale Umwelt, auf das Zerstören der Ökosysteme und der Erdatmosphäre beziehen.

Er kann sich auf das Durchtrennen oder Beenden einer Beziehung beziehen oder auch darauf, dass man seinem wahrgenommenen Schmerz durch einen Gewaltakt wie dem Selbstmord ein Ende setzt.

3. Der Lung des selbst entstehenden, inhärenten Gewahrseins

Dieser bezieht sich auf die Fähigkeit jedes Individuums, die Einheit von Raum und Gewahrsein zu erwecken und zu erkennen. Wenn wir in den Raum der Einheit von Offenheit und Gewahrsein eintreten, ist dieser Raum die Natur des Geistes. Davon reden wir, wenn wir über das Meditieren sprechen. Wir lassen, ohne uns zur Wehr zu setzen, alle Gedanken, Gefühle, Empfindungen und Erinnerungen aufsteigen, lassen Sie verweilen und sich auflösen. Wir ruhen in diesem Raum des offenen Gewahrseins. Wir führen dies weiter fort und verweilen in der Erkenntnis der Einheit von Raum und Gewahrsein.

Hier entdeckt man die verborgenen positiven Qualitäten wie Mitgefühl, Liebe und Freude.

Der Schatz ist die Einheit – von Essenz und Weisheit, Mutter und Sohn, Raum und Licht, Offenheit und Gewahrsein.

2. Der Lung der Glückseligkeit der ursprünglichen Weisheit

Der 2. Lung unterstützt das Gewahrsein des essenziellen Raums des Seins, der Bön Natur, mit den Erfahrungen der Weisheit, es geht im Kern das Gewahrsein von Offenheit als Weisheit (im Gegensatz zum üblichen kommunikativen Austausch in Form von „Geschichten“, also Beschäftigung mit Erfahrungen der Vergangenheit oder potenziellen der  Zukunft).

Traditionell spricht man von 5 Weisheiten:

der Weisheit der Leerheit,
der spiegelgleichen Weisheit,
der Weisheit der Gleichwertigkeit und des Gleichmuts,
der unterscheidenden Weisheit und
der alles vollendenden Weisheit.

Das Gewahrsein von Offenheit ist Weisheit, ist der 2. Lung.

1. Der Lung des Raums der Bön Natur

Der essenzielle Lung der Bön Natur bezieht sich auf die Essenz in allem.

Gemeint ist in Abwesenheit von Gedanken und Emotionen (in der Meditation) die Einheit mit dem Universum, etwas, was uns alle miteinander verbindet und wobei es niemals Trennung gibt.

Dieses nichtduale Gewahrsein wird vom subtilsten inneren Wind, dem 1. Lung, unterstützt. Es bedeutet unterm Strich, dass alles miteinander verbunden ist.

Es existiert in jedem Individuum. Entscheidend für die Erfahrung dieses verbunden-Seins ist das gewahr-Werden.

4. Der Lung des Geistespferdes

Es gibt einen subtilen inneren Wind, der das Denken hervorruft. Auch in der Meditation sind törichte, dumme, komische, sinnlose oder bedeutsame Gedanken unterwegs, stören aber unser Gewahrsein nicht. Richten Sie in diesen Augenblicken die Aufmerksamkeit auf das Beobachten des Beobachters. Hier gibt es etwas, das sich mit dem Mittel des Ausatmens nicht leicht auflösen lässt. Das Auflösen auf tieferer Ebene wird durch das Beobachten des Beobachters verursacht. Sie müssen Ihre Identifikation mit diesem intelligenten, cleveren Wesen aufgeben.

Was den Beobachter produziert, ist ein subtiler Wind. Gemäß der Dzogchen-Lehren wird als erstes das Objekt aufgelöst, dann soll man den Beobachter beobachten, um uns mit dem essenziellen Raum des offenen Gewahrseins zu verbinden. Fehlt diese Auflösung der Formen, welche Produkte der Dualität sind, ist das jenes Hindernis, dass der direkten Verbindung mit dem essenziellen Raum im Wege steht. Wenn man diese Hindernisse auflöst, kommt man in die Erfahrung des Lung des selbst entstehenden, inhärenten Gewahrseins. So erfolgt am Ende der Neun Atemzüge die Anleitung, in der Offenheit und unbewegten Ruhe und Stille zu verweilen.

Indem wir uns mit der Struktur der Emotionen und nicht mit konkreten Problemen und Geschichten negative Emotionen verbinden, ist unser Verhältnis zu den aufsteigenden Gedanken und Emotionen ein anderes. Das wird unter Veränderung verstanden, eine andere Beziehung zu Gedanken und Gefühlen. Solange die groben Geistesplagen aktiviert sind, stehen wir unter dem Einfluss starker negative Emotionen wie Wut und Zorn oder Anhaftung, die den Standort des Beobachtens bestimmen, was nicht zu guten Entscheidungen führt. Das gleiche gilt für den Wind der Wirkkraft des Karma. Im Offenen Gewahrsein dagegen erwächst positive Qualität. In diesem offenen Raum findet sich kein „Zeug“, wozu auch Gedanken und Emotionen gehören.

Die ungezähmten Pferde der Geistesplagen und der Karma-Wirkkraft müssen entlassen werden. Statt das Resultat zu erzwingen, können wir den Pfad frei zu räumen und die Blockaden auflösen.

5. Der Lung der Wirkkraft des Karma

Es ist wichtig, dass Sie die Wut oder den Zorn direkt erkennen. Sie haben ganz wunderbare Gründe um ihren Zorn zu rechtfertigen, nicht wahr? Wenn Sie sich die Frage stellen „ist dieser Zorn wirklich nötig?“ Sagen sie: „nun, unter dem Gesichtspunkt der Praxis ist der Zorn vielleicht nicht nötig. Das sind alles Illusionen. Ich muss mich nicht darauf einlassen.“ Warum werden sie weiterhin wütend und zornig? Weil ein starker innerer Wind vorhanden ist. Sie haben nicht die Macht oder Kraft ihn zu stoppen, ihm Einhalt zu gebieten. „Der Wind der Wirkkraft des Karma weht“. Sie sagen: „ich weiß nicht wie ich dahin gekommen bin“. Ganz eindeutig wirken hier von ihrem Willen getrennte Winde, die sie in eine Richtung schieben, die sie gar nicht einschlagen wollten. Ihr Vorhandensein wird in den Bön-Lehren anerkannt. Es ist etwas, worüber sie keine Macht haben. Sie versuchen, sich dieser Kraft bewusst zu sein, diesen Wind mithilfe der Übung der Neun Atemzüge zu bereinigen. Die Wirkkraft des Karma ist im Grunde ein Energiewind. Die Methode, die wir anwenden, ist immer dieselbe: Sie liegt in den Neun Atemzügen der Reinigung. Erzeugen Sie eine positive Intention: „möge ich diese Winde durch die Neun Atemzüge bereinigen.“ Es geht darum, dass sie diese Kraft, die Macht dieser Kraft, die sie in diese Richtung treibt, fühlen können. „Ich fühlte mich geradezu in diese Richtung gedrängt.“ Seien Sie dessen was sie eben geäußert haben, offen gewahr. Es besteht die Chance, dass sie sich mit diesem karmischen Wind verbinden. Wenn sie aber damit beschäftigt sind zu denken, werden sie sich nicht mit ihm verbinden. Werden sie seiner gewahr und wählen es aus. Auswählen bedeutet, urteilslos gewahr zu sein und dies im Körper und Atemfluss zu spüren. Die Tibeter sagen oft: „Ach es ist mein Karma.“ Karmische Kräfte übersteigen unseren Willen oder unsere Absicht. Wenn der karmische Wind bläst, können wir also nicht wirklich das Geschehen ändern, aber wir können etwas an den Ursachen ändern, sodass es das nächste Mal nicht wieder passiert. Wenn sie nicht willens und bereit sind, die Existenz des Karma zu verstehen, werden sie ihr Karma nicht befreien und sehr wahrscheinlich weiter so agieren, dass sich ihr Karma fortsetzt. Das heißt im Grunde, die Möglichkeit von Transformation anzuerkennen.

6. Der Lung der Groben Geistesplagen

Er bezieht sich auf die 5 negativen Emotionen von Zorn, Gier, Unwissenheit, Eifersucht und Stolz, bekannt als die 5 Gifte. Drei von ihnen, die 3 Wurzelgifte – Zorn, Anhaftung und Unwissenheit – kennen wir bereits. Die Wurzelursache jeder Erfahrung von Leiden lässt sich in einem dieser Gifte finden. Welche Art von Energie bewirkt Ihren Ärger oder Zorn? Bei vielen Übungspraktiken die ich in den letzten Jahren gelehrt habe, forderte ich meine Schüler auf, sich eine schwierige Situation anzuschauen, sich mit der dabei entstehenden Emotion zu verbinden und die Präsenz dieser Emotion in Körper, Atem und Geist zu entdecken, um die energetische Struktur unseres Unbehagens und Leidens zu verstehen, statt dem Handlungsfaden unserer konzeptuellen Geschichte zu folgen. Rechtfertigen und rationalisieren untermauern Wut und Zorn nur noch. Im Kern geht es darum, dass wir uns auf die eigentliche Energie der Emotion konzentrieren statt auf die Handlung der Geschichte: „konzentriere dich auf die Energie“, gleichbedeutend mit „verbinde dich mit dem inneren Wind“. Das ist mit dem Einfangen des Pferdes (der Energie) gemeint, um es dann entlang dem Pfad (den Körperkanälen) in eine positive Richtung hin zur Befreiung (Offenheit) zu lenken. Es wird der Vorschlag gemacht, als erstes zu schauen, wo das Pferd in Erscheinung tritt. Sehen Sie sich die Situation an, die Stelle, die Person. Am leichtesten ist es, wenn sie ihre Wut oder ihren Zorn in dem Augenblick erkennen und sich eingestehen indem sie sie verspüren. Sie können aber auch mit einer Erinnerung arbeiten. Sie fühlen, wie diese Emotionen ihren Atem beeinflussen und verbinden sich mit dem speziellen Energiewind, den man den Lung der Groben Geistesplagen nennt. Der Kernpunkt ist, dass Sie die Wut nicht analysieren oder beurteilen, sondern den Wind fühlen der diese Wut unterstützt, beeinflusst und sie aufkommen lässt. Das Pferd, also der innere Wind, lässt sich leichter einfangen als der Reiter, d. h. der Geist. Der Reiter lässt sich am leichtesten über das Lenken des Pferdes lenken.